Es geht mir ausgezeichnet! Auf der Intensivstation und in großer Lebensgefahr habe ich mich vor 12 Jahren befunden – nun schreibe ich darüber. Das hatte ich beschlossen, bevor Covid 19 begann, die Welt zu erobern. Es ist sehr bizarr, aber auch tröstlich, diese Erfahrungen jetzt erzählerisch zu präzisieren und sie demnächst anderen zu vermitteln.

I am doing very well! Twelve years ago I found myself in the intensive care unit in danger of my life—now I’m writing about it. I had decided to do that before Covid-19 began conquering the world. It is bizarre but also comforting to be setting down these experiences now in story form and preparing to tell them to others.

Meine Eltern sind Deutsche und waren nur ganz kurz in Rom, ich bin in Deutschland aufgewachsen, war aber immer stolz, ein geborener Römer zu sein. 1971 war ich ein Jahr in Rom als Stipendiat der Künstlervilla Massimo in Rom, das war die erste richtige Annäherung. Seitdem ist das Interesse an Italien und meinen dortigen Freunden ständig gewachsen. Von 2001 bis 2013 lebte ich überwiegend in Rom, und in der Zeit habe ich meine Kenntnisse über Rom und Italien vervielfacht, die nun die Grundlage bilden für „Die linke Hand des Papstes“.

Wenn Sie fragen, welche Teile aus persönlicher Erfahrung, welche aus Phantasie entstanden sind, kann ich nur sagen: Das Wunderbare an der Kunst, an der Literatur ist doch, dass beide Elemente auf originelle Weise miteinander verschmelzen. Ohne Erfindung keine Wahrheit der Kunst. Ohne Erfahrung, Wirklichkeit, Kenntnis aber auch nicht.

My parents are German and were in Rome for only a short time. I grew up in Germany, but I was always proud of being born Roman. In 1971 I was in Rome for a year on a scholarship at the Villa Massimo. That was my first real experience there. Since then, my interest in Italy and my friendships there have grown steadily. From 2001 until 2013 I lived mostly in Rome, and during that time I expanded my knowledge of Rome and Italy, which laid the basis for The Pope’s Left Hand.

When you ask what parts of it come from personal experience and which from imagination, all I can say is that the wonderful thing about art and about literature is that those two elements blend in original ways. Without invention there is no truth to art. But without experience, reality, knowledge there is no art, either.

Nein. Aber ich bin beschämt und wütend über die ökonomische Dummheit und menschliche Herzlosigkeit der deutschen Regierung, zum Beispiel mit Corona-Bonds Italien, Spanien zu helfen und die Idee Europa zu retten.

No. But I’m ashamed and outraged at the economic stupidity and inhuman heartlessness of the German government, for example, their refusal to aid Italy and Spain with Corona bonds and thereby salvage the idea Europe.

                    Die linke Hand des Papstes

Friedrich Christian Delius

Die Hand, dachte ich am ersten März-Sonntag des Jahres 2011 — was ist mit der Hand? Offen, leicht gebogen aus dem schwarzen Ärmel entspannt nach unten hängend, die Finger locker beieinander, weiß und weichlich, was tut die Hand des Papstes, wenn sie nichts tut? Viel erfahren wir Zuschauer über diesen Mann, ob wir wollen oder nicht, ständig werden seine Gesichter, seine Gewänder, seine Fensterbühnen gezeigt, jeden Sonntag könnte man ihn singen, sprechen und segnen hören, täglich möchten Tausende mit ihm gefilmt oder fotografiert werden, überall wird er zitiert, wird sein violettes Lächeln auf Postkarten verkauft, seine Macht beschworen, gesucht, bezweifelt, seine Rolle geliebt, geschätzt oder verachtet — aber seine Hände, nichts weiß man über seine Hände, was ist mit den Händen?
Nein, ich wunderte mich nicht, ihn so nah, wenige Meter rechts von mir, fast neben mir zu sehen, in der letzten Reihe des Kirchenraums, den alten Herrn, der nach allgemeiner Übereinkunft Papst genannt wird. Unauffällig war er gekleidet, ohne seine autoritätsverheißende Tracht, kein Gold leuchtete, kein Lila, kein Purpur, sein weltbekannter Kopf war weder mit einer auffälligen Spitzmütze geschmückt noch mit einer Kappe bedeckt, er wirkte wie ein einfacher Pfarrer oder wie ein Bischof in Zivil mit schwarzem Anzug und weißem, gestärktem Halskragen. Rechts und links neben ihm saßen zwei Priester, die man auch auf Fernsehbildern in seiner Nähe entdecken konnte, in ähnlich neutraler und schlichter Kleidung. Gesten, Blicke, Körperhaltungen, alles gut eingespielt. Irritierend war nur, dass die drei schwarzen Herren nichts taten und nicht in den Vordergrund, in die Mitte, in ein größeres Blickfeld drängten.

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Ich blieb konzentriert als Beobachter der Schreibhände, die so viel bewegen könnten auf der Welt und sich jetzt nicht bewegten, und hatte gleichzeitig die linke Hand des Apoll vor Augen, des Verführers, des Möchtegern-Vergewaltigers. Die berühmte Skulptur, gemeißelt, geschlagen, geschliffen während des Dreißigjährigen Krieges, als Rom kräftig mitwirkte, Deutschland zu vergewaltigen – eine der sonderbaren Gleichzeitigkeiten, eine der Quizfragen ohne Antwort: Was haben Apoll und Daphne mit dem Dreißigjährigen Krieg zu tun? Hände, die sogleich die nächste Frage weckten, ob es richtig war, was ich mir gemerkt hatte, dass weder die Schreibhände des zehnten Innozenz, die Velázquez gemalt hatte, noch die seiner Nachfolger den Westfälischen Frieden von 1648 unterzeichnet und anerkannt hatten, die römische Kirche folglich seit mehr als dreihundertfünfzig Jahren mit den Deutschen im Kriegszustand lebte.
Da tauchte, da platzte die passende Erinnerung auf – endlich wusste ich, weshalb ich schon in der ersten Sekunde unserer distanzierten Begegnung gedacht hatte: die Hände, was ist mit den Händen? Nun begriff ich, warum ich so fixiert darauf war. Schon einmal hatte ich meine Einbildungskraft auf sie gerichtet, gerade ein halbes Jahr war das her, als ich, vor dem Fernseher, lange überlegt hatte, ob diese Hände, ob die rechte päpstliche Hand, ich vermutete stets einen Rechtshänder in ihm, noch zu einer Ohrfeige fahig wäre. Oder zu einem Zucken, das, unbeherrscht fortgesetzt, zu einer Ohrfeige führen könnte oder wenigstens zu einer spontanen, sofort wieder abgebremsten Bewegung. Oder ob die Würde des Amtes oder die Müdigkeit des Alters oder eine schwer in den Gliedern wuchernde Mutlosigkeit nicht nur jeden solcher Reflexe verboten, sondern auch den bloßen Gedanken an solche Reflexe eingeschläfert hatte.

The pope’s left hand

Friedrich Christian Delius

The hand, I thought, on the first Sunday in March of 2011—what is it about the hand? Open, slightly curved, relaxed, hanging from the black sleeve, the fingers loosely beside each other, pale and effeminate, what does the pope’s hand do when it’s doing nothing? We spectators hear much about this man, whether we want to or not. His faces, his robes, the windows that serve as his stages are shown constantly, every Sunday you can hear him sing, speak, and bless, every day thousands want to be filmed or photographed with him, he is quoted everywhere, his violet smile is sold on postcards, his power implored, sought, doubted, his role loved, valued, or scorned—but his hands, we know nothing about his hands, what about the hands?
No, I was not surprised to see him so near, a few meters to my right, almost beside me, in the last row of the sanctuary, the elderly gentleman who by general agreement is called the pope. He was dressed unobtrusively, not in the regalia that proclaims his authority, no gold shone, no lilac, no crimson, his head, known the world over, was neither adorned with an imposing miter nor covered with a cap; he looked like a simple parson or bishop in plain clothes, with a black suit and starched white collar. To his right and left sat two priests, whom you might see near him on TV, in similarly neutral, plain attire. Gestures, looks, posture, everything was well rehearsed. The only disconcerting thing was that the three black-clad men were doing nothing and did not move forward, into the center, where they would have been more broadly visible.

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I stayed focused as an observer of the writing hands, which can move so many things in the world and now were not moving and, at the same time, in my mind’s eye, I saw the left hand of Apollo, the seducer, the would-be rapist. That famous sculpture―chiseled, hewn, and polished during the Thirty Years’ War, when Rome lent a powerful hand in the rape of Germany―is one of those odd simultaneities, one of those quiz questions with no answer: what do Apollo and Daphne have to do with the Thirty Years’ War? The hands immediately provoked the next question: whether what I had noticed is true, that neither the writing hands of Innocent X, painted by Velázquez, nor those of his successors had signed and recognized the Peace of Westphalia of 1648 and consequently that the Roman church has been in a state of war with the Germans for more than three hundred fifty years.
Then it came to me, it burst into my mind, the memory I wanted―finally I knew why, from the very first second of our arms-length encounter, I had thought: The hands, what is it about the hands? Now I realized why I was so fixated on them. I had already applied my imagination to them once before, exactly six months earlier, when, in front of the television, I had long pondered whether these hands, whether the right papal hand―I
always assumed he was a right-hander―was still capable of delivering a slap in the face. Or was capable of a spasm that, if not checked, could become a slap or become at least a spontaneous, immediately restrained movement. Or whether the dignity of the office or the fatigue of age or a timidity spreading throughout the limbs not only prohibits any such reflex but deadens even the thought of one.

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Translation ©Robert A. Cantrick